Mythos Jungfrau

Eigentlich war die die Sache schon gegen 1850 abgehakt: der Jungfrauenmythos. Denn bereits Meyers Konversationslexikon aus jenen Tagen schrieb:

Als Kennzeichen der unverletzten Jungfernschaft gelten: volle, rote, derbe und dichter aneinander schließende äußere und innere Schamlippen, ein unverletztes Scheidenhäutchen (Hymen) … endlich Schmerz und Blutung beim ersten Beischlaf. Alle diese Merkmale geben aber über das Vorhandensein oder Fehlen der Jungfräulichkeit keine positive Gewissheit, und die ganze Menge der übrigen angeblichen Kennzeichen der Jungfräulichkeit ist auf Aberglauben und Unkenntnis basiert.

Dennoch wir der Mythos immer wieder genährt, werden neue Märchen und Sagen hinzuerfunden, und es werden neue Theorien darüber aufgestellt, dass die Jungfernschaft das „höchste Gut“ eines Mädchen sein müsse. Die Schweizer Gratiszeitung „20 Minuten“ ha dieser Tage einen ausführlichen Bericht über den „Mythos Jungfräulichkeit“ gebracht, den man nur jedem Menschen empfehlen kann, der immer noch der Meinung ist, dass „Jungfräulichkeit“ am Fehlen oder Vorhandensein des „Jungfernhäutchens“ erkennbar ist. Gerade jetzt ist "Nicki Blue" in der Presse - eine Jungfrau, deren "erstes Mal" gleich ein Pornodreh war - und dies war auch der unmittelbare Anlass frür den Artikel in "20 Minuten".

Die Zeitung schreibt:

Dass es sich beim Jungfrauen-Mythos bei Lichte besehen um wirklich nicht mehr als einen Mythos handelt, zeigt sich allein schon an den nüchternen medizinischen Fakten.

Dennoch wird der Mythos hochgehalten- und immer wieder finden sich religiös motivierte Sektierer, die Goldbronze auf die „besseren Mädchen“ pinseln, die ihre Jungfernschaft erhalten. Es scheint, als wäre das 20. Jahrhundert spurlos an manchen unserer Mitmenschen vorbeigegangen – und das ist eigentlich schade, denn gerade für die Frauen war es ein ausgesprochen erfolgreiches Jahrhundert.

Bild: Quelle unbekannt T-Shirt Aufdruck: "Rette eine Jungfrau - nimm mich stattdessen"

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