FlirtXpert - Experten & Singles schreiben über Flirt, Dating & Verlieben 2000 Flirt-Beiträge

Fotos lügen nicht - aber sagen sie überhaupt etwas aus?

Berlin, den 09. Juni 2018

Jeder Fotograf würde sofort einen hämischen Ausdruck um den Mundwinkel bekommen, wenn man ihm mit solch einem Unsinn kommen würde: Fotos lügen nicht, weil sie nicht manipuliert werden können. Damit jedenfalls wirbt die US-amerikanische Webseite „Profiler 1“. Sie behauptet, aus einem Foto Rückschlüsse auf den Charakter eines Menschen ziehen zu können, ja, sogar auf sein alltägliches Verhalten. Die Methode heißt Physiognomie. Seit sich jede noch so windige Methode „wissenschaftlich" nennen kann, ist sie wieder zu neuem Leben erwacht und heißt heute auch Personology. Sie beruht auf Beobachtungen, die vom klassischen Altertum über die Ausfilterung Krimineller durch Gesichtskontrolle bis hin zu den Versuchen der Nazis reichen, Juden am Gesichtsausdruck zu erkennen.

Es soll hier nicht bestritten werden, dass Menschen ihr Gegenüber innerhalb weniger Millisekunden einzuschätzen versuchen, und dass diese Versuche oftmals Erfolg haben. Doch dieser Effekt und die Charaktersuche auf Bildern bedeuten nicht das Gleiche: Für das Herauslesen von Charaktermerkmalen aus Bildern gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis, ja nicht einmal einen verlässlichen Anhaltspunkt. Für den psychologischen „ersten Eindruck“ hingegen gibt es eine evolutionäre Erklärung: Die Wesen, aus denen wir entstanden, mussten in Millisekunden über „Flüchten oder Standhalten“ entscheiden und damit möglicherweise über Leben und Tod.

Wer einen Selbsttest durchführt (völlig gleichgültig, mit welchem Bild) muss zunächst verblüfft feststellen, dass er gefragt wird, ob er Mann oder Weib ist – da hätten wir bereits den ersten Zweifel: Die verwendete Software ist also nicht in der Lage, Frauen und Männer zu unterscheiden, aber sie soll Charaktermerkmale feststellen. Da ich gar nicht daran denke, mein eigenes Profil – richtig oder falsch – irgendwo zu veröffentlichen, wo ich nicht weiß, was damit geschieht, habe ich einen Pappkameraden vorgeschickt: Jung, schnöselig, im Umgang schwierig und über alle Maßen arrogant, sozusagen Graf Koks von der Zeche. Erstaunlicherweise erwies sich der junge Mann als braves Rädchen im Getriebe, nett und kooperativ, der Entscheidungen lieber anderen überlässt und vorzieht, keinerlei Verantwortung für sich selbst zu tragen.

Ja, wahrhaftig tragisch, nicht wahr? Übrigens habe ich von anderen gehört, dass sie ganz ähnliche Resultate hatten – vielleicht liegt es einfach daran, dass die Gesichter nicht „kantig“ genug waren. Einige der Resultate hatten deutliche Anklänge an den Barnum-Effekt – so ergab sich bei einer Dame:

Sie bevorzugt, andere in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, dabei fragt sie viele andere und vertraut sogar einigen von ihnen.“

Wohlgemerkt – so etwas liest ein Softwareprogramm angeblich aus den Gesichtszügen, die auf einem Foto zu sehen sind.

Was wirklich dahinter seht? Nun, wer es wissen will, darf mal bei Naomi Tickle hereinsehen oder bei CNN nachlesen.

Das Bild im Titel wurde nicht für den Test verwendet, hätte aber zu ähnlichen Ergebnissen geführt.

Euer Autor Gebhard

Auf in die Praxis: