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Romantik, Herz, Schmerz und Lüge

Berlin, den 25. Oktober 2016
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Romantik beherrschte einst das Herz jedes Bürgermädchens - heißt es jedenfalls. Vom Klapperstorch über den Osterhasen bis zum Weihnachtsmann war ihr Dasein eine Welt voller romantischer Lügen. Die Herzenswelt wurde aber auch sonst vorgewärmt: Die Grimms hatten bereits dafür gesorgt, dass die Welt der Bürgermädchen mit Prinzessinnenkitsch und später Lebensgerechtigkeit vollgesülzt wurde, und die illustrierten Monatsheftchen sorgten in späteren Jahren dafür, dass romantische Geschichten über die Liebe in die Herzen der jungen Frauen flossen und dort gelierten.

Ach! Mein Held, mein einzig wahrer Held – da konnte man sich wie ein lebendig gewordenes Dornröschen in der Rosenlaube fühlen, während einem der kluge und weltgewandte Herr, der man heiraten sollte, liebevolle Worte ins Öhrchen hauchte.

Sehnt ihr euch danach? Ja?

Alles war von A bis Z erlogen. Hinter der schönen bürgerlichen Fassade wurden gelogen, betrogen und geschachert. Die Töchter waren so ziemlich das Überflüssigste, was der Bürger hatte. Söhne? Ja, die konnte man vielleicht noch im Geschäft gebrauchen. Sollten sie doch „Johann Maierdierks“ Zigarrenfabrikation als „Gebrüder Maierdierks“ weiter führen. Aber die Töchter? Da gab es nur eines: Verhökern, so gut es, ging, und zwar anders, als es in der Bibel steht: Nimmste meine Tochter, kriegste 100 Mille – das war ein gutes Angebot, vorausgesetzt, die Tochter war schön, als Hausfrau und Mutter geeignet und noch in jungfräulichem Zustand. Wenn nicht, musste man halt noch 100 Mille drauflegen – dann konnte sie fast sicher „an den Mann gebracht“ werden. Wenn es ganz schlimm kam, wurde sie am freien Markt verhökert, zum Beispiel eine „vornehme, hübsche, blonde , intelligente, sehr musikalische Jüdin, einziges Kind“. Selbstverständlich kam nur einer „Neigungsheirat“ infrage, und damit der Herr auch etwas geneigter wurde, winkten ihm 50.000 M – das war so ziemlich die unterste Summe, die man zu bieten wagen durfte. Übrigens stand in so gut wie jeder Anzeige: „Religion bleibt außer Acht“ – einziges wirkliches Kriterium war nur die Mitgift.

Romantik? Ach du liebes Lieschen. Die wurde ja gerade deshalb erfunden, damit die Bürgermädchen nicht merkten, dass es eigentlich nur darum ging, sie loszuwerden.

Übrigens wurde erwartet, dass man sagte, man habe sich „ineinander verliebt“, sei „ein Herz und eine Seele“ und wie „vom Schicksal füreinander bestimmt“. Auch das gehörte zum Trug- und Lügenbild des später 19. Und frühen 20, Jahrhunderts.

Na, hat jemand noch Lust, sich in diese Zeit zurückversetzen zu lassen? Ich nicht.

Euer Autor Gebhard

Auf in die Praxis: