Bist du ganz Frau, ganz Mann?
In den letzten Monaten kursieren Gerüchte durch das Internet, die jungen Leute wüssten nicht mehr ganz so genau, welche sexuelle Orientierung sie hätten. Sie fragen sich offenbar: Bin ich nur dann „ganz Mann“, wenn ich ausschließlich tolle Frauen mit schönen Rundungen und wohlwollendem Lächeln liebe? Oder für Frauen: Bin ich nur dann „ganz Frau“, wenn ich starke Kerle mit ein bisschen Macho-Touch will? Was gibt es dazwischen? Ist der Mann auch „ganz Mann“, wenn er eine etwas herrische Frau mit Kurzhaarfrisur und kleinen Brüsten bevorzugt? Ist etwas falsch an der „ganzen Frau“, wenn sie sich sanfte männliche Liebhaber wünscht?
Das sagt noch nichts über die Orientierung, aber über die Richtung: Wünschen sich Männer gelegentlich mal starke, mal schwache männliche Partner? Oder haben sie eventuell doch die Fantasien, mal am anderen Ufer zu fischen? Frauen kommen sich ohnehin körperlich näher als Männer, weil sie weniger scheu haben: Die Gelegenheit ist also da. Macht sie auch Diebe?
Beantwortet wird die Frage nicht eindeutig. Man vermutet es eben einfach, schreibt gar inzwischen darüber. Doch was bedeutet dies?
Zwei Fragen sollte man sich stellen: die Erste: Viele Menschen wissen weder, was „heterosexuell sein“ bedeutet noch, was „homosexuell sein“ heißt – weder vom Begriff her noch von der Vorstellung. Kann man da ernsthaft annehmen, sie wüssten es, wenn sie danach befragt würden?
Die zweite Frage zum geschlechtlichen Selbsverstädnis ist heikler. Sie heißt schlicht und einfach: „Warum eigentlich?“ oder umgekehrt „Warum eigentlich nicht?“ Es ist erstaunlich, wie viele Antworten es plötzlich gibt, wenn man die Fragen so stellt. Doch dieser sehr pragmatische Standpunkt ist nicht sehr angesehen. Deutsche leibe Argumente wie „ja, vielleicht schon, aber …“ und darauf gibt es immer eine einfache Antwort.
Wenn ihr bessere Antworten habt – dann bitte.
foto © 2010 by TheAlieness GiselaGiardino²³