Seelenschmerz und Online-Dating

Vielleicht beginne ich einmal mit einer Geschichte: Ein Geschäftsmann hatte seine Ehefrau durch Tod verloren, was alle Freunde zutiefst betrauern. Doch Kondolenzbesuche erweisen sich als zwecklos: Er ist einfach nicht anwesend. Schließlich beschließen die Freunde, dann doch lieber ins nahe gelegene Bordell zu gehen. Zu ihrer Überraschung treffen sie dort den gemeinsamen Freund, der sich offenbar köstlich mit einer der Damen amüsiert. Man stellt ihn zur Rede, und alles, was er sagt, ist: „Was soll ich tun in meinem Schmerz? Hier gießt man mir Balsam auf die Seele!“

Was als etwas makaberer Witz gedacht war, versuchen tauende von Frauen und Männern real – allerdings nach „ganz gewöhnlichen Trennungen“, die bekanntlich auch tiefe Nadelstiche in der Psyche hinterlassen. Manchmal stehen schon die als „Witwentröster“ und „Witwertrösterinnen“ verschrienen Aasgeirinnen und Aasgeier vor der Tür, um schnell den Schmerz zu übertünchen – aber manchmal zieht es die Verlassene oder auch den Verlassenen ganz schnell an Orte, wo man sich den Schmerz gewissermaßen „aus der Seele vögeln“ kann. Dafür kommen keinesfalls nur Bordelle infrage (für Frauen wohl sowieso kaum), sondern eben auch andere Orte – virtuelle Orte, an denen versprochen wird, für ein paar Scheinchen die Möglichkeiten der irdischen Wonnen testen zu können.

Doch da hätte ich einen kleinen Einwand: Wenn es nur um den Trost für eine Nacht oder ein Wochenende geht, dann nutzt bitte Casual-Dating-Dienste. Wenn ihr hingegen tatsächlich eine schöne Affäre haben wollt, die euch über den Sumpf der Seelenpein trägt, dann benutzt meinetwegen Singlebörsen – sie sind übrigens inzwischen ein beliebter Ort für Menschen geworden, die mal „antesten“ wollen, wie sich Gemeinsamkeit wieder anfühlt. Liebe? Och, lasst das Wort dafür lieber weg. Aber ein bisschen verlieben ist schon drin – war es nicht diese Droge, die ihr gegen den Seelenschmerz gesucht habt?

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